Assoziationen von Dr. Miriam Kümmel zu Julia Neubergers künstlerischen Werken

Julia kenne ich aus einer Orientierungsphase zwischen Abitur und Studium. Wir haben leider den Kontakt verloren und uns erst letztes Jahr auf einem Jubiläumstreffen wieder gesehen. Kurz danach hat sie ihr aktuelles Projekt begonnen, so konnte ich es von Anfang an wachsen sehen: Jeden Sonntag ein neues coloriertes Origami-Werk. 

 

Ich habe selbst eine Geschichte mit Origami. Besonders intensiv habe ich mich damit beschäftigt, als ich gegen Ende meines Mathematik-Studiums Sehnsucht nach etwas realem, greifbarem zum Ausgleich der Abstraktheit in der Mathematik hatte. Gerade das regelmäßige Faltmuster, das Julia verwendet erinnert mich sehr an meine Lieblings-Falttechnik, bei der aus einem regelmäßigen einfachen Faltmuster durch Überlappungen und Drehungen komplexe Gebilde entstehen: Schuppen eines Fisches, Federn eines Vogels, Blütenmuster, oder auch abstraktere Muster. 

 

Das besondere an Julias Origami-Werken ist, dass sie statt bereits gefärbtes Papier zu falten, das Papier erst faltet und anschließend die von den Falten eingerahmten Flächen selbst einfärbt und die Farben nach einem bestimmten Prinzip auswählt.

 

Als sie von zweifarbigen zu dreifarbigen Colorationen wechselte habe ich eine weitere Verbindung gesehen zu dem, womit ich mich beruflich beschäftige: Hadronenphysik. 

 

Hadronen sind winzige zusammengesetzte Teilchen, die aufgrund der starken Wechselwirkung zusammen halten. Die einfachsten bestehen aus einem Quark und einem Antiquark, aus drei Quarks oder drei Antiquarks. Protonen und Neutronen bestehen in diesem Modell aus drei Quarks. Die Physik folgt dabei bestimmten Regeln, die sich am besten veranschaulichen lassen, indem man jedem Quark eine der Farben rot, grün und blau zuordnet und jedem Antiquark eine der sogenannten Antifarben antirot, antigrün und antiblau: Die Farben der Quarks oder Antiquarks aus denen ein Hadron besteht müssen ingesamt zu weiß mischen. Farbladung ist der physikalische Fachausdruck dazu. Das Prinzip und die Auswahl der Farben entspricht der Erzeugung der Farben der einzelnen Pixel auf einem Bildschirm.

 

In einem Farbkreis müssen die drei Farben alle gleich weit voneinander entfernt sein und die Antifarben genau gegenüberliegen, davon abgesehen könnten es eigentlich auch beliebige andere Farben statt rot, grün und blau sein. 

 

Ich glaube, dass die künstlerische oder spielerische Auseinandersetzung mit den bereits bekannten Regeln die Wissenschaft inspirieren und zu neuen Erkenntnissen führen kann. 

 

(Dr. Miriam Kümmel, Juli 2019)

Farben in der Physik

 Mehr zum Thema Farben in der Physik kann hier nachgelesen werden. 

Die Wissenschaftlerin Dr. Miriam Kümmel (geboren 1987 in Fulda) hat nach dem Master of Science in Mathematik das Fach gewechselt und im Anschluss an den Master of Science in Physik ihre Promotion an der Ruhr-Universität Bochum mit Auszeichnung abgeschlossen. Ihre Forschung in experimenteller Hadronenphysik führte sie auch an die Universität Uppsala in Schweden, die Indiana State University in Bloomington und das Institut for Hochenergiephysik in Peking. Aktuell beschäftigt sie sich neben Forschung und Lehre mit der Öffentlichkeitsarbeit des BMBF-Forschungsschwerpunkts PANDA. 

 

panda-physik.de

@RUB, Foto: Nelle